Bei einem Diskussionsforum im Haus der Geschichte erörterten fünf geladene Gäste und ca. 150 interessierte Zuhörer die Auswirkungen des 11. Septembers auf das Verhältnis zwischen Moslems und Deutschen. Initiator der Veranstaltung vom 22.Januar 2002 war der studentische Verein "Orientation", der es sich zum Ziel gemacht hat, den interkulturellen Dialog zu fördern und durch Informationsaustausch Vorurteile zwischen verschiedenen den Kulturkreisen abzubauen. Die Moderation hatte Bekim Agai, Doktorand an der Ruhr-Universität Bochum.

"Viele Muslime sind nach den Terroranschlägen in New York verunsichert", erklärte Issa Rezai, Student an der Universität in Köln. Sie fühlten sich beobachtet und hätten Schuldgefühle, obwohl sie selbst mit den Attentaten nichts zu tun hätten, so Rezai. Von einer spürbaren Wandel im öffentlichen Leben spricht auch Hasan Özdogan, Mitglied des Islamrats. Die in vielen Teilen der deutschen Bevölkerung noch immer vorherrschende Gleichgültigkeit sei einem gesteigerten Interesse am Islam gewichen, im positiven, wie im negativen Sinne. So erhalte er verstärkt Anfragen und Aufforderungen zu Solidaritätsbekundungen, aber auch Anfeindungen gegenüber dem muslimischen Teil der in Deutschland lebenden Menschen. Wie von staatlich, rechtlicher Seite auf die Veränderungen reagiert wurde, erklärte Wolfgang Schieman vom Referat für Polizei und Verfassungsschutz NRW. Die gesetzlich erweiterte Möglichkeit der Rasterfahndung helfe wichtige Informationen zu sammeln, auszuwerten, um somit Erkenntnisse über die Strukturen terroristischer Vereinigungen in Deutschaland zu gewinnen. Kritik an dieser Methode brachte Herr Schiemann Verständnis entgegen, wies aber darauf hin, dass unbrauchbare Daten umgehend gelöscht würden.

Professor Dr. Stefan Wild, Islamwissenschaftler an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms Universität in Bonn, bemängelte die momentane Ausrichtung der Islamwissenschaft in Deutschland. Sie befasse sich viel zu sehr mit dem mittelalterlichen Islam und gehe nicht genug auf die aktuelle Situation und die ständigen Veränderungen ein. Auch sei aus wissenschaftlicher Sicht eine Spezialisierung dringend notwendig, um der breiten Themenfülle gerecht zu werden. Auf die Frage, wie das traditionelle islamische Frauenbild mit westlicher Emanzipation zu vereinbaren sei, antwortete Prof. Wild, dass es letztendlich bei der hiesigen jungen Generation muslimischer Frauen liege, ihre Zukunft selbst zu gestalten.

Marcel Pott, Journalist und langjähriger ARD-Nahostkorrespondent, sah in der Wirkung des 11. Septembers auf das Verhältnis deutscher und muslimischer Bürger Parallelen zu anderen vermeintlichen Randthemen: Erst wenn etwas schreckliches passiere, würde sich der schlecht informierte Teil der Bevölkerung und auch die teilweise ignorante Politik erst einer Problematik bewusst, die aber schon seit längerer Zeit existent war. Weiter verwies er auf das noch im hohen Maße bestehende Informationsdefizit und die Gleichgültigkeit in der deutschen Bevölkerung und unter den muslimischen Mitbürgern. Pott kritisierte auch die immer schnelllebiger gewordene Berichterstattung der Medien. Selbst in seriösen Nachrichtensendungen würden die Beiträge zunehmend kürzer und somit oberflächlicher. Der Gesamtkontext der Nachricht werde somit verzerrt, so dass die Zuschauer ein nur beschränktes und manipuliertes Bild der Realität erhielten. Dies mache es Demagogen einfach Vorurteile aufzubauen und interkulturelle Verständigung zu behindern.

Während der anschließenden Diskussion mit den Zuhörern kristallisierten sich die Kernthesen dieses Abends immer weiter heraus: Interkultureller Austausch in Verständigung ist wichtig und notwendig, um ein friedliches Zusammenleben verschiedener Bevölkerungsgruppen zu ermöglichen. Dazu bedarf es des erklärten Willens aller Beteiligten, sich umfassend zu informieren, um mögliche Vorurteile abzubauen und einen gehaltvollen Dialog zu ermöglichen.

Gegen 21.45 Uhr endete diese gelungene Veranstaltung mit einem lange anhaltenden Applaus.

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